Renaturierte Waldmoore können wieder Wasser speichern.
Im 2015 gegründeten Nationalpark Hunsrück-Hochwald laufen zahlreiche spannende kurz- und auch längerfristige Forschungs-Projekte. Die Ergebnisse einiger dieser Projekte wurden in einem ersten Forschungsband zusammengefasst und auf der Internetseite des Nationalparks veröffentlicht – auf 257 Seiten, in 25 Beiträgen von 28 beteiligten Forschungs-Institutionen mit 66 Autoren. Dr. Julian J. Zemke (Universität Koblenz-Landau) untersucht, welchen Effekt der Verschluss von Entwässerungsgräben auf die Hangbrücher hat.
Im Hunsrück ist es vergleichsweise kühl und regenreich. Das führt per se zu relativ feuchtem Erdreich. Wenn dann der Boden teilweise das Wasser nur schwer versickern lässt, bilden sich Tümpel, Feuchtwälder und moorige Standorte. „Im Nationalpark Hunsrück-Hochwald sind so im Laufe der Jahrhunderte die typischen Hangbrücher entstanden“, erläutert Dr. Harald Egidi, Leiter des Nationalparkamtes. Um aus den Mooren einen mit Fichten bestandenen Wirtschaftswald machen zu können, wurden die Hangmoore seit dem 19. Jahrhundert systematisch entwässert. Die Fähigkeit, Wasser zu speichern, ist dabei weitgehend verloren gegangen.
Gerade angesichts der fortschreitenden Klimaveränderungen ist dieser Speicherfähigkeit aber von großer Bedeutung – damit nicht die Quellen und Bäche unterhalb der Moore im Sommer trockenfallen und das Wasser bei einzelnen Starkregenereignissen als Sturzflut nach unten schießt. Neben dem Erhalt und der Wiedererweckung der Naturräume ist der Wasserrückhalt daher ein wichtiges Ziel der Wiedervernässung der Hangbrücher. Daher führte die Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz (SNU) im Rahmen des EU-LIFE-Projekts „Hangmoore im Hochwald“ Grabenverschlüsse durch. In Kooperation mit dem Bergwaldprojekt e.V. waren dabei zahlreiche Freiwillige im Einsatz. Das EU-LIFE-Projekt endet dieses Jahr.
Der gewünschte Effekt ist offenbar bereits eingetreten, wie Dr. Julian J. Zemke, festgestellt hat. Der Leiter der Arbeitsgruppe Physische Geographie an der Universität Koblenz-Landau untersucht die Wirkungsweise zweier Methoden, mit denen die Entwässerung rückgängig gemacht werden sollte: Teils wurden die Gräben mit Erdreich zugeschüttet (Erdplomben), teilweise mit Holzdämmen, in die dann Hackschnitzel gefüllt wurden (Zuger Verfüllung). Eine Messreihe am Casparsbruch südlich des Erbeskopf, die 2016 begonnen hat, zeigt deutlich die Wirkung der Wiedervernässung durch die Erdplomben. Gegenüber dem Beitrag im Forschungsband liegen mittlerweile aktuellere Daten vor, die die Tendenz eindeutig bestätigen.
Zemke unterteilt in seiner Untersuchung drei Phasen: Phase 1 (Februar – September 2016): Vor der Verfüllung fließt das Wasser bei Regen schnell ab, die Entwässerungsgräben sind noch offen. Das bedeutet auch, dass mangels Niederschlägen aus dem Moor ab Juli nahezu kein Wasser mehr abfließen kann.
Das bleibt auch während der Phase 2 (Oktober 2016 – September 2017) so: Direkt nach der Verfüllung ist im Casparsbruch fast kein Abfluss messbar. Nach dem Verschluss der Gräben bleibt das Wasser in der Fläche, bis sich in den regenreichen Monaten langsam der Bodenspeicher auffüllt. Zemke spricht hier von einer „Transformationsphase“.
In Phase 3 befinden wir uns seit Oktober 2017: Nach der Verfüllung wird wieder Wasserabfluss gemessen, die Fläche ist demnach mit Wasser gesättigt: „Wir haben länger und stabiler Abfluss. Der Casparsbruch hat sich damit von seinem Vorfluter entkoppelt und führt stabil Wasser, auch über Trockenphasen.“ In der regenarmen Zeit zwischen Mai und August hat sich Zemkes Untersuchungen zufolge die Wasserabgabe nach dem Verschluss der Gräben gegenüber der Phase 1 fast verdreifacht. Diese Tendenz ist auch bei anderen Messstellen feststellbar. Insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Trockenphasen in den Sommermonaten ist das für die Moore eine gute Nachricht. Auch die untersuchten Jahre waren überdurchschnittlich heiß und trocken.
Das eine ist die gleichmäßigere Abgabe im Jahresverlauf. Auf der anderen Seite steht noch die Frage, wie sich das wiedervernässte Hangmoor bei Starkregen verhält. „Hier sehen wir auch eine Verbesserung der Situation“, sagt der Wissenschaftler. Zwar sind immer noch Abflussspitzen messbar, allerdings fließt deutlich weniger Wasser ab als vor dem Verschluss der Gräben. Im Casparsbruch reduzierte sich der Wasserabfluss bei Starkregen um fast 80 Prozent.
Im Tierchbruch erfolgte die Wiedervernässung nach der Zuger Methode mittels Spundwänden, die händig in die Gräben eingeschlagen wurden, und Hackschnitzeln als Füllmaterial. Der Vorteil liegt darin, dass auf den Einsatz schwerer Maschinen verzichtet werden kann. Weil durch die Hackschnitzel mehr Nährstoffe in den Boden eingetragen werden, lautete eine Fragestellung, ob sich dadurch die Chemie der nährstoffarmen Gewässer deutlich verändert. Zemkes vorläufiges Fazit lautet, dass sich die Nährstofffreisetzung im tolerierbaren Bereich bewegt. Die gewünschten Effekte auf Wasserspeicherung und Wasserabfluss sind allerdings bislang deutlich weniger messbar. Hier empfiehlt Zemke weitere langfristige Untersuchungen.
Den Forschungsband findet man online über: www.nlphh.de/forschungsband
Zur Info
Die Hangmoore oder Hangbrücher sind eine der typischen Landschaftsformen und ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal des Nationalparks Hunsrück-Hochwald. Sie bilden auf etwa 13 % der Nationalparkfläche einzigartige, hochsensible Lebensraumtypen. Die Torfauflagen – die ältesten sind mehrere tausend Jahre alt – sind teilweise ein Meter dick, meist jedoch nur etwa 10 Zentimeter.
Die Hangbrücher sind besonders durch das Wirken der Menschen geprägt: Seit dem 19. Jahrhundert wurden in den hochsensiblen Moorwaldflächen systematisch Netze von Entwässerungsgräben angelegt und unterhalten, um diese Standorte für die Holzproduktion, insbesondere für die Fichte, nutzen zu können.
Um die typischen Eigenschaften der Hangmoore wiederzugewinnen, müssen diese möglichst schonend wiedervernässt und renaturiert werden. Das Moor soll damit langfristig wieder seine Funktionen als Kohlenstoffspeicher und als Lebensraum spezialisierter Arten erfüllen. Dem diente im Rahmen des Förderprogramms der EU für Umwelt, Naturschutz und Klimapolitik EU-LIFE auch ein mehrjähriges Projekt der Stiftung für Natur und Umwelt (SNU).
Hintergrund
Wissenschaftliche Umweltbeobachtungen und -forschung, wie auch die Dokumentation der Ergebnisse, sind eine der Aufgaben in Nationalparks. Das Nationalparkamt hat aber keine eigene Forschungsabteilung, sondern es koordiniert und moderiert Forschungsvorhaben und stößt diese an. Nahezu alle Hochschulen und Universitäten aus Rheinland-Pfalz, Saarland und auch darüber hinaus sind im Forschungsverbund um den Nationalpark eingebunden, ebenso die Ressortforschungsanstalten der Länder Rheinland-Pfalz (FAWF in Trippstadt), Baden-Württemberg (FVA Freiburg) und Niedersachsen (NW FVA) sowie das Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz.
Das Nationalparkamt engagiert sich auf Bundesebene in der Arbeitsgruppe „Forschung“ der Nationalen Naturlandschaften und im Netzwerk für Langzeitmonitoring. Neben vielfältigen naturwissenschaftlichen und ökosystemaren Ansätzen geht man auch sozioökonomischen Fragen nach.